Gern sieht OB König Greifswald als Leuchturm des Ostens. Für die Sozialpolitik trifft dies jedenfalls nicht zu.
Noch immer leben in Greifswald, wie das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe feststellt, überdurchschnittlich viele Kinder und Familien von Sozialleistungen und gelten als arm. Von den 413 ausgewerteten Kreisen und kreisfreien Städten belegt Greifswald den 400. Platz. Über 36 % aller Kinder bis 15 Jahre leben von ALG II bzw. Sozialgeld-Leistungen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 16,1 %, in M-V bei 30,4 %. Aus diesen Kindern werden Jugendliche, denen eine Armutskarriere sicher scheint.
Unter dem Titel „In der Hartz-IV-Falle“ berichtet die Süddeutsche Zeitung über eine Studie des DGB. Danach sind knapp eine Million Jugendliche auf staatliche Transferleistungen angewiesen. Die Zeitung schreibt dazu: „Die meisten können sich für den Rest ihres Lebens nicht aus der Armutsfalle befreien.“ Besonders hoch ist das Risiko in Ostdeutschland in die Armutsfalle zu geraten. Dabei benötigen die Wenigsten Hilfeleistungen, weil sie von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sondern ihr oder das Einkommen ihrer Eltern ist so gering, dass sie davon nicht existieren können.
Auch in MV ist die Zahl der so genannten Aufstocker, also derjenigen, die trotz Arbeit auf staatliche Hilfen angewiesen sind, stetig steigend.
Für den sozialpolitischen Sprecher Gregor Kochhan sind diese Studien alarmierend. „Wenn wir nicht auf allen politischen Ebenen gegensteuern und neue Konzepte entwickeln, die es den Menschen ermöglichen, von ihrer Hände Arbeit auch zu leben, droht ganzen Generationen eine durchgängige Armutskarriere“, so Kochhan. „Nur über den KUS-Pass zu reden und Betroffene bei der ABS, der städtischen Beschäftigungsgesellschaft, in Ein-Euro-Jobs zu parken, reicht nicht.“
Ja, es nervt schon, wenn das politische Establishment Greifswalds offensichtlich nur noch aus Leuchtturmwärtern besteht.
Aber es sei, wenn diese von mir 100% unterstützte Analyse zu den Hartz-IV-Problemen in Greifswald nicht nur dem kommenden Wahlkampf geschuldet ist, der Hinweis gestattet, dass die Grünen als Konstrukteur und Baumeister an der zitierten “ Hartz-IV-Falle“ maßgeblich beteiligt waren.
Also, entweder die Grünen Greifswalds stellen sich deutlich gegen den „Mainstream“ ihrer Führung, oder sie sollten von den sozialpolitischen Appellen Abstand nehmen.
Sehr geehrter Herr Peters,
die Grünen sind eine heterogene Partei, in der es mehr als eine Meinung gibt. Und sicherlich waren es auch Grüne, die maßgeblich an der Einführung von Hartz IV beteiligt waren. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir uns nicht mit den Auswirkungen beschäftigen und notwendige Diskussionen unterlassen. Gerade deshalb müssen wir uns auch Fragen und Hinweise gefallen lassen.
Wenn Sie zum Beispiel in die heutige FR schauen („Lieber mehr Hartz IV“), werden Sie sehen, dass neben den Linken auch die Mehrheit der Grünenwähler eine stärkere soziale Ausrichtung des Konjunkturprogramms wünschen.
Das soll jetzt nicht von der Verantwortung für die Vergangenheit ablenken. Unter dem Schlagwort von der „Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ sind Fehler gemacht worden, die wohl auch dem neoliberalen Mainstream in Politik und Medien geschuldet sind. Viele wollten und wollen einfach nicht wahrhaben, dass es (auch) darum ging, dem Niedriglohnsektor Tür und Tor zu öffnen. Leider ist hier nicht die Stelle, da der Platz nicht reichen dürfte, Hartz IV insgesamt zu diskutieren.
Wenn Sie die Aktivitäten der Greifswalder Grünen und die Berichterstattung darüber verfolgt haben, dürften Sie feststellen, dass wir nicht nur zu Wahlkampfzeiten die Sozialpolitik in Greifswald kritisch beäugen. Dabei stehe ich u.a. dafür ein, die Rechtsposition von Betroffenen zu stärken und – am Beispiel der ARGE – durchzusetzen. Dabei läuft man aber immer Gefahr, systemimmanent zu handeln. Kommunalpolitisch ist an Hartz IV nichts zu ändern, also gilt es dort, die Auswirkungen abzumildern. Auf Bundesebene dagegen setze ich mich sehr wohl für eine Revision ein. Wobei es da nicht nur um eine „Fortentwicklung“, „Optimierung“ oder wie die ganzen Änderungsgesetze seit Einführung des SGB II beschönigend heißen, gehen kann. Von der systematischen Entrechtung der ALG II-Berechtigten im Zuge der „Instrumentenreform“, noch so ein Gesetz, ganz zu schweigen.
Mit freundlichen Grüßen
G. Kochhan
Na denn, lasst die Theorie zur materiellen Gewalt werden!
Vorher wünsche ich den Grünen bessere Wahlergebnisse als hier, wohl nicht repräsentativ, im MVticker gezeigt:
Zur nächsten Kommunalwahl wähle ich:
CDU: 28.5% (39)
DIE LINKE: 26.3% (36)
FDP: 15.3% (21)
Andere: 14.6% (20)
SPD: 10.2% (14)
Grüne: 5.1% (7)
Stimmen: 137
Sehr geehrter Herr Peters,
damit die Theorie die Massen ergreift, betreiben wir diesen Blog und werben hier für unsere Ideen.
Übrigens ist unser Ulli Bittner derzeit in den Ferien. Seine Antwort auf Ihren Eintrag wird daher noch etwas auf sich warten lassen.
Herzliche Grüße
Gregor Kochhan
Viele Kinder leben weiter in Armut. OZ vom 19.02.2009
Welch einen großen Erfolg hat da doch unser Sozialsenator Dembski, seiner Ansicht nach, zu verbuchen. Die Quote der Kinder die mit Hatz IV leben ist geringer geworden. Die Arbeitsgruppe „Armut“ in seinem Dezernat sucht nach Möglichkeiten. Toll sag ich da. Zu mal in dem OZ Artikel alle auch noch aufgefordert werden gute Ideen einzubringen. Vermute ich richtig, dass dem Senator und seiner Arbeitsgruppe die Ideen ausgegangen sind, welche sie noch gar nicht hatten? Der Mittagstisch stößt an seine Grenzen und kann niemand mehr aufnehmen. Der KuS kann nicht mit mehr Geld ausgestattet werden, weil es ja einen Kindermittagstisch gibt. Also so richtig logisch scheint mir die Erklärung des Sozialsenators nicht. Vielleicht muss sie dass ja aber nicht. Ich wünschte mir wesentlich mehr Aktivität der sogn. Arebitsgruppe. Zumal sie sich auch gern Menschen dazu holen können, die kritisch sind.