Bedingungen für ein Grundeinkommen

Was aus Sicht des Einzelnen einmal ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ werden könnte, erfordert aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive dann doch noch ein paar Bedingungen. Darüber diskutierten am heutigen Donnerstagabend im Audimax mit einem gut aufgelegten Publikum unsere grüne Direktkandidatin Anne Klatt, Peter Ritter (Kandidat Die Linke), Marcus Unbenannt (SPD), Tristan Varbelow (Piraten), sowie die parteilose Einzelbewerberin Susanne Wiest.

Letztgenannte tritt auch unter dem Stichwort „Grundeinkommen“ an, weswegen man auf ihre Aussagen einigermaßen gespannt sein konnte. Tatsächlich lieferte Susanne Wiest einige interessante Beiträge, doch war zumindest für Teile des Publikums ihre eher geringe Detailkenntnis der in der Diskussion befindlichen Varianten überraschend. Insbesondere das von ihr vorgeschlagene Finanzierungsmodell über eine Konsumsteuer von 100 Prozent stand mehrfach im Zentrum der Kritik.

Anne Klatt ließ gegenüber der Idee des Grundeinkommens ebenfalls viel Sympathie erkennen, sprach aber darüber hinaus weitere Schwerpunkte an. So sei eine stärkere, auch steuerliche Belastung des Ressourcenverbrauchs selbstverständlich im grünen Sinne. Grundsätzliche Fragen nach einer sinnvollen und gerechten Verteilung von Arbeit müssten ebenfalls in die Diskussion einfließen.

In der Rolle des Skeptikers sah sich Marcus Unbenannt, der – möglicherweise unbeabsichtigt auch als Kontrapunkt zur Direktkandidatin seiner Partei – in seinen Beiträgen hin und wieder etwas zu engagiert wirkte. Seine Einwände gegen die Finanzierungsmodelle legten dabei gelegentlich den Schluss nahe, dass man sich alle Steuerpolitik sowieso sparen könne, denn die Rechnung werde ja so oder so nicht aufgehen. Außerdem stimmte die Chemie zwischen dem Sozialdemokraten und Moderator Sebastian Jabbusch nicht wirklich, wobei man kritisch anmerken muss, dass die leicht inkonsistente Moderation tatsächlich nicht immer glücklich war.

Peter Ritter gab sich betont zurückhaltend, erklärte aber immerhin Zustimmung zu dem Aspekt der Sanktionsfreiheit. Ansonsten nahm hier zur Abwechslung mal der Vertreter der Linkspartei die Position des Pragmatikers ein, der immer mal auf mögliche Umsetzungs- und Transformationsprobleme hinwies.

Im Verlauf der reichlich unübersichtlichen und dennoch von den meisten Anwesenden gelobten Diskussion kristallisierte sich immerhin die Notwendigkeit einiger Begriffsklärungen – was ist eigentlich Arbeit? – heraus. Dass vor der Einführung eines Grundeinkommens einige Voraussetzungen in anderen Bereichen wie etwa Mindestlohn geschaffen werden müssten, wurde ebenfalls deutlich.

Die recht spontane Ansetzung der Veranstaltung beschränkte leider den Kreis der Diskutanten. Vertreter von CDU und FDP hätte man gerne gehört, doch zu mehr als einer losen Anfrage bei der Jungen Union hatte es in der Kürze der Zeit wohl nicht mehr gereicht. Somit gilt für die Form wie für den Inhalt: Es ist nicht alles ganz so einfach.

3 Kommentare bei „Bedingungen für ein Grundeinkommen“

  1. Ich fand die Debatte insgesamt sehr gut, hätte aber gehofft, dass mehr Leute zum Film gekommen wären. Ich hatte den schon vorher im Internet gesehen, hatte aber das Gefühl, dass viele Leute aus dem holen Bauch heraus über das komplizierte Thema diskutierten. Anne Klatts Einstellung gefiel mir besser als die von Susanne Wiest (vor allem im Bereich „Wie soll das finanziert werden“). Herr Unbenannt war für mich ein symptomatisch. Eine so neoliberale Haltung ohne jegliche soziale Perspektive muss sich nicht wundern, wenn die eigene Wählerschaft zur Linke läuft (wobei ich Herrn Ritter irgendwie seltsam still fand). Die Eingriffe der Moderation waren manchmal etwas forsch. Mir gefiel dies aber, da die Debatte sich schon sicher noch länger hingezogen hätte und wichtige Fehlannahmen klar gestellt wurden. Der Vertreter der Piratenpartei war sympathisch aber zu still. Die Partei ist wohl noch auf der Suche nach ihrem sozialen Profil. Immerhin hat man das gleich zu Beginn eingeräumt.

  2. @Peter
    Da hast du offenbar doch einiges missverstanden. Ich kritisiere das BGE nicht von rechts, sondern von links, was auch der Grund dafür ist, dass ich im Verlaufe des Abends fast durchgängig der gleichen Auffassung wie Herr Ritter und Jan Steyer war (und ich denke, das gilt auch umgekehrt), die ja beide nicht gerade als Neoliberale gelten. Ich halte vielmehr das BGE für ein zumindest mit dem Neoliberalismus gut anschlussfähiges Konzept, weil es auf Individualisierung und Entkollektivierung setzt. Und deshalb ist es auch kein Zufall, wenn Neoliberale wie Althaus oder Straubhaar die Idee des BGE unterstützen. Dass ich mich in meinen Beirägen eng in den Grenzen der (kapitalistischen) Volkswirtschaftslehre bewegt habe, liegt schlicht daran, dass ich versucht habe, Frau Wiests Vorschlag ernst zu nehmen. Und Frau Wiest und andere behaupten ja, ein solches System in einer kapitalistischen Marktwirtschaft verankern zu können und ich habe mich bemüht, sytemimmanent aufzuzeigen, warum das scheitern muss. Wie heißt es so schön bei Brecht: „Und der reiche Mann sagt bleich: ‚Wärst du nicht arm, wär ich nicht reich.'“ Wer Armut bekämpfen will, muss Reichtum begrenzen. Letztes will das BGE nicht, deshalb wird es ersteres nicht können.

  3. Ein schöner Artikel.

    „doch zu mehr als einer losen Anfrage bei der Jungen Union hatte es in der Kürze der Zeit wohl nicht mehr gereicht.“ stimmt nicht wirklich.

    Es wurden alle Partein die auch Direktkandidat_innen stellen, Parteijugendverbände und Hochschulgruppen angeschrieben.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.