Technisches Rathaus – quo vadis oder eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera

Nun ist es amtlich: Nach der Entscheidung der Bürgerschaft vom vergangenen Montag – auch mit den Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – wird das Technische Rathaus weitergebaut. – Und das nach Baukostenexplosionen, gefälschten Unterschriften, uninformierten Entscheidungsträgern, Baubegleitausschuss und Untersuchungsausschuss. Wie konnte das passieren?

Anfangs waren es 6 Mio, dann 8,5 Mio, zwischenzeitlich einmal 14 Mio. Euro Baukosten. Jetzt wurden dank des Begleitausschusses die Kosten noch einmal auf gut 12,1 Mio. Euro Baukosten gesenkt, da man sich am Notwendigen und nicht mehr am Wünschenswerten orientierte. – Ein architektonisches Glanzstück wird es wohl nicht werden.

Die in der Presse genannten 16 Mio. Euro sind als Gesamtprojektkosten wohl am realistischsten. Denn sie rechnen Kosten ein, die die Verwaltung von Beginn an (schon 2006 bei den 6 Mio. Euro!) nicht dem Projekt hinzugerechnet hatte, da es keine Baukosten sind, nämlich u.a. die Kosten für die Grundstückskäufe, für Umzüge und Innenausstattungen.

Die Zahl von 16 Mio. Euro wurde erst in der Bürgerschaftssitzung von Vertretern der SPD und der Grünen ins Spiel gebracht, damit allen Beteiligten klar ist, dass man mit den im Beschluss formulierten Gesamtprojektkosten von 12,1 Mio. Euro nur die halbe Wahrheit nennt.

Wieso hat sich also die grüne Fraktion entschieden, dem trotzdem zuzustimmen?

Letztlich war es eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera: Entweder 3 Mio. Euro in den Sand setzen, oder weitere Millionen Euro in die Hand nehmen und das Technische Rathaus realisieren. Wir haben uns für die Cholera entschieden…

Die Kosten spielten bei der Entscheidung natürlich eine wichtige Rolle: Die Stadt hat bereits 1,3 Mio. Euro in den Sand gesetzt. Egal, wie es mit der Alten Post weitergeht – das Geld ist weg. Dieses fahrlässig nutzlos versenkte Geld müssen sich BauBeCon und Stadtspitze anrechnen lassen. An ihrem Willen, den Schaden zu minimieren und Konsequenzen zu ziehen, ist der Oberbürgermeister als Letztverantwortlicher in Zukunft zu messen.

Weitere bereits ausgegebene Planungs- und Bauleistungen in Höhe von 1,7 Mio. Euro können aber bei einem Weiterbau angerechnet werden – und sind dann keine verlorenen Kosten.

Anzurechnen ist auch, dass die Stadt zukünftig Mieten, dringend erforderliche Investitionen und hohe Energiekosten für die alten unsanierten Verwaltungsgebäude spart.

Letztendlich wird der Weiterbau des Technischen Rathauses nicht dazu führen, dass wir – wie immer behauptet – in Zukunft daran noch Geld verdienen, aber er wird sich über die Jahre wohl „zu Null rechnen“.

Das ist eine zwar nicht befriedigende, aber akzeptable Option unter dem zweiten wichtigen Blickwinkel, dass wir auch eine Verantwortung für die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Sie arbeiten seit Langem unter teilweise unakzeptablen Arbeitsbedingungen in etlichen über die ganze Stadt verteilten Verwaltungsgebäuden. Das Technische Rathaus ist die Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen.

Dies war für die Fraktion ein wichtiges Argument zugunsten der Zustimmung.

Diese Zustimmung erfolgte aber nur unter der Voraussetzung, dass all unsere Änderungsanträge zu der Beschlussvorlage angenommen würden. Dies haben die Stadtverwaltung und alle Fraktionen – zum Teil dankbar – getan.

Denn dank unserer Änderungsanträge wird das Projekt nun transparenter.

–          Wir forderten einen einzigen Verantwortlichen in der Stadtverwaltung, der in allen Belangen auskunftsfähig ist und in jeder Finanz- und Bauausschusssitzung öffentlich einen Bericht über die Terminkontrolle und den finanziellen Stand des Projektes gibt. So wird verhindert, dass wie in der Vergangenheit die Verantwortung von einem zum anderen geschoben wird und letztlich niemand mehr für die Misere verantwortlich gemacht werden kann.

–          Wir forderten, dass die BauBeCon vollständig aus der Bauausführung heraus gehalten wird. Die BauBeCon ist noch immer unser Sanierungsträger. Deshalb müssen alle Abrechnungen mit dem Landesförderinstitut weiterhin über sie erfolgen. In das eigentliche Bauvorhaben darf sie dank uns aber nicht mehr eingebunden werden.

–          Wir forderten, dass die Stadt alles versucht, um Schadensersatzansprüche abzuwenden. Dieser Formulierung ist zu verdanken, dass die Stadt nun nicht in Vorleistung gehen wird, um evtl. unangemessene Schadensersatzforderungen von Firmen zu bezahlen, und hinterher versuchen muss, das Geld von der BauBeCon wieder einzuklagen (siehe die Aussage von Herrn Hochheim dazu im OZ-Artikel vom 23.2.)

–          Und schließlich forderten wir, dass die Stadt sich kein Hintertürchen offen halten kann, um evtl. keine Fördermittel in höchstmöglicher Höhe zu beantragen.

Auch wenn wir selbst nicht wirklich glücklich waren, eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera treffen zu müssen, können wir unsere Änderungsvorschläge wenigstens als kleinen Erfolg in dieser unleidigen Sache verbuchen.

Das Technische Rathaus wird nun weiter gebaut und wir werden weiterhin sehr kritisch die Vorschläge der Verwaltung verfolgen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN in der Bürgerschaft Greifswald

Stefan Fassbinder
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5 Kommentare bei „Technisches Rathaus – quo vadis oder eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera“

  1. Ich muß jetzt einmal tief in die Vergangenheitskiste greifen:

    Es hat einmal zum Thema eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern der Verwaltung und der Bürgerschaft, gegeben, die bei den Fraktionen unter „AG Technisches Rathaus“ lief, aber insgesamt verschiedene Namen hatte („AG Zentralisierung der Verwaltung“ u. a.). Diese Arbeitsgruppe hat sich mit der Zeit zu einer Zusammenballung von Kompetenz entwickelt – immerhin hat sie bis 2005 gearbeitet.

    Wohl um diese Kompetenz wissend, hat Arenskrieger diese AG nicht mehr einberufen, sondern sein Rathaus-Projekt ohne sie durchgesetzt; wiederholte Mahnungen der Bündnisgrünen, die AG einzuberufen, wurden schlichtweg ignoriert. Und jetzt haben wir den Salat…

    Der „AG Bürohaus“ (so der Name laut letztem vorliegendem Protokoll) lagen insgesamt 25 untersuchte und auf ihre Kosten und Folgekosten hin durchgerechnete Projekte vor; seit 1998, der Aufnahme der Arbeit der AG, waren es 10 Projekte, die intensiv beraten und durchgerechnet wurden.

    Frage war bei allen Projekten immer, wie sie sich im Verhältnis zur gegebenen dezentralen Unterbringung der Verwaltung rechneten. Schwellenwert waren damals Baukosten in Höhe von 4 Mio Euro. Waren höhere Baukosten zu erwarten, so war die zentrale Unterbringung teurer als die dezentrale.

    Rechnet man pro Jahr eine zehnprozentige Teuerung (Gott sei Dank haben wir eine solche Teuerungsrate nicht; aber wir wollen ja kaufmännisch vorsichtig rechnen und auf der sicheren Seite sein), so wäre man im Jahr 2011 bei einem Schwellenwert von 7 Mio Euro, ab dem die zentrale Unterbringung teurer wird.

    16 Millionen sind mehr als das Doppelte des vorsichtig gerechneten Schwellenwertes…

    Die Argumentation lautet ja immer, daß wegen des Sanierungsbedarfs und der hohen Betriebskosten auch ein Betrag von 16 Mio Euro – wie heißt es so schön im bürgerschaftlichen Deutsch? – „darstellbar“ seien.

    Sind sie nicht.

    Die Unterlagen der AG Bürohaus liegen allen Fraktionen und der Stadtverwaltung zur Nachprüfung vor.

    1. Future Box 2015 statt Vergangenheitskiste!
      Ein neuer Oberbürgermeister wird gewählt, statt Stadthalle steht jetzt das Technisches Rathaus in der Wahlpropaganda der CDU hoch im Kurs.
      Keine Fehler, eine einzige Erfolgsgeschichte!
      Die organisatorischen Anfangsschwierigkeiten, die den Bürgern und Mitarbeitern der Verwaltung im neuen Gebäude mit neuer Infrastruktur und Verwaltungssoftware Sorgen bereiteten, sind längst überwunden und vergessen.
      Die Erwähnung Greifswalds im „Schwarzbuch 2013“ des Bund der Steuerzahler sind Geschichte, da die Kosten am Ende mit alten Büromöbeln und Papierkörben „nur“ das 3 fache der ursprünglich geplanten erreicht haben. Leider diesmal kein Rekord im Norden, denn mit der Elbphilharmonie können wir nicht mithalten. Dort soll am Ende das 3,5fache der ursprünglich geplanten Summe zu Buche stehen. Das ist ärgerlich, da Greifswald sonst durch gute Beziehungen zu Prognoseinstituten und neoliberale Denkfabriken (Thing Tanks) immer die ersten Plätze belegt.
      Rechtzeitig vor den Wahlen wird vor dem Technischen Rathaus auch das von Jürgen Liedtke initiierte BauBeCon-Denkmal zum 25. Jahrestag als Monopolsanierungsträger in Greifswald eingeweiht. Da er immer treu und redlich zu seinem Herren, dem leider nach Schwerin gelobten Bausenator und der BauBeCon gestanden hat, darf er die Festrede halten.
      Gemeinsam mit CDU, SPD und FDP fasst der Grüne Fraktionsgeschäftsführer tief ergriffen eine der vier Ecken des Tuches, das das Denkmal noch verhüllt, an. Unter den Klängen des Kaisermarsches
      – „Lasst tönen laut den frohen Sang“ –
      wird das Denkmal enthüllt. Es stellt ein überdimensionales goldenes Überweisungsformular an die BauBeCon auf dem Grundriss des Sanierungsgebietes Innenstadt dar.
      Alpträum ich Grün?

  2. Ulrich Lichtblau sagt: Antworten

    Pest und Cholera sind ja hochansteckend und die Grüne Fraktion hat es voll erwischt, allerdings ist mir bisher unbekannt gewesen, daß PC zur solch drastischer Reduzierung der Urteilsfähigkeit führen, wie die Fraktion nun vorgeführt hat. Scheint ein besonderer Virus zu sein, der hier umgeht.

    Der Bienenfleiß mit dem die Fraktion arbeitet ist wirklich anzuerkennen, doch leider wird politisch ziel- und planlos vor sich hingewurschtelt. Es halt schon richtig, wenn die Sau nur im Dreck wühlt, sieht sie den Himmel nicht mehr und verliert die Orientierung. Anders ist es doch nicht zu erklären, daß die Fraktion, nachdem sie und die Grüne Partei in der Stadt dezidiert gegen die Pläne zum Postumbau argumentiert und gekämpft haben, mit einem Mal zustimmt, weil die Verwaltung vorrechnet, daß man nur so den Karren aus dem Dreck bekäme. Das mag ja am Ende sogar stimmen, doch es ist nicht Aufgabe der im Parlament sitzenden Opposition, dem möglicherweise wenig böseren Ende der Geschichte zuzustimmen, sondern des ist ihre Aufgabe, den Finger in die Wunde der Unfähigkeit unseres Oberbürgermeisters und der Verwaltung, sowie der (ehemals) großen Koalition aus CDU und SPD zu legen und nicht der Mißwirtschaft derselben am Ende, wenn alles völlig verbockt ist und nur eine fragwürde Notoperation den Schaden noch zu kaschieren vermag, dieser Notoperation auch noch zuzustimmen.
    Wenn ich dann noch lesen darf, daß die Fraktion nun meint, der OB müsse sich künftig an der Bewältigung der Postbaukrise messen lassen, kann ich mir richtig vorstellen, wie es ihn jetzt graust vor der Meßlatte der Grünen Fraktion, nachdem diese sein Versagen gerade gnädig abgesegnet und damit die wohl richtigere Forderung nach seinem Rücktritt und einen Kehraus in der Verwaltung nicht verfolgt hat.

    Liebe grüne Arbeitsbienen, sammelt weiter Nektar für den fremden König und freut Euch der Brosamen, die von seinem Tische abfallen, aber glaubt bitte nicht, daß das in den Augen des Grünen Wählers verdienstvoll sei.

  3. Primum, cum rogetur quo „Curia functionum“ vadat, statuendum est aedificia vadere non solere. Placuit autem consilio urbis magnam rem incipere atque multas pecunias in hanc curiam functionum dare. Movetur igitur quod continet aerarium, non aedificium.
    Consilium supra descriptum compluribus causis prudente esse nego, quarum duas nunc exponam.
    Dictum est curiam functionum effecturam urbem in posterum minus consumere conductionum, pecununiarum restituendi, materiarum non iam sustinentem aedificia vetera. Deest autem ullum testimonium huius sententiae quo accurate computare atque examinare hanc propositionem possimus. Qua de causa id dictum non multum valet. Mirum quoque est hoc argumentum numquam audiri cum restituenda scholarum aedificia disputantur.
    Tum memoratum est summa 17 centenorum milium quae perdita esset curia functionum non structa. Est autem haec summa vocanda „pretium exiendi“. Quodsi id pretium pro argumento probemus, numquam ullum consilium falsum ratione sapientiore repulsabimus.
    Consilium curiae functionum sicut alia consilia similaria repulsare necessarium mihi videtur, quod aliter non impetrabimus, ut institutiones urbis malis moribus purgentur.

    1. Um den auch sprachlich barrierefreien Zugang zum Grünen Blog zu ermöglichen, findet sich eine Schnell- oder Rohübersetzung hier.

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