Amt Züssow bestätigt rechtswidriges Handeln der Sozialagentur *update*

Zu diesem und diesem Eintrag jetzt noch unsere Pressemitteilung von heute:

Amt Züssow bestätigt Rechtsbruch durch die Sozialagentur
GRÜNE kritisieren zum wiederholten Male den rechtswidrigen Einsatz von „Ein-Euro-Jobbern“

In Lüssow mussten Presseberichten zufolge auf einer Länge von 50 Metern alle Pappeln, Eichen und Sträucher abgeholzt werden. Dies sei im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht geschehen, so das Amt Züssow. Die Arbeiten sind von „Ein-Euro-Jobbern“ des Arbeits- und Strukturfördervereins Gribow ausgeführt worden.

Solche “Ein-Euro-Jobs” sind Eingliederungsmaßnahmen und sollen ausschließlich dazu dienen, einen Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Nur zu diesem Zweck sind die im öffentlichen Interesse liegenden und zusätzlichen Arbeitsgelegenheiten zulässig. Dazu gibt in den Eingliederungsvereinbarungen zwischen Jobcenter und ALG II-Berechtigtem festgelegte Ziele, die zu erreichen sind.

„Die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht ist aber Gefahrenabwehr und damit als Pflichtaufgabe der Gemeinde niemals zusätzlich“, sagte der Vorsitzende der Kreistagsfraktion Vorpommern-Greifswald von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sozialpolitische Sprecher des Kreisverbandes, Gregor Kochhan. „Mit seiner Begründung bestätigt das Amt Züssow den rechtsmissbräuchlichen Einsatz der Betroffenen“, so Kochhan.

Die Betroffenen sind aber nicht der Willkür der Ämter schutzlos ausgeliefert. Das Bundessozialgericht hat in zwei Entscheidungen geurteilt, dass ihnen ein öffentlich-rechtlicher Schadenersatzanspruch zusteht, wenn bei „Ein-Euro-Jobs“ das Merkmal der Zusätzlichkeit fehlt. Das Bundessozialgericht: „Da die Arbeit dann in Erfüllung einer Aufgabe erbracht worden ist, die in jedem Fall hätte durchgeführt werden müssen, ist beim begünstigten Jobcenter durch die ersparten, aber notwendig gewesenen Aufwendungen zur Erfüllung dieser Aufgabe ein Vermögensvorteil entstanden.“
„Den Betroffenen steht dann für diese Arbeit ortsüblicher bzw. tariflicher Lohn zu“, sagte Kochhan abschließend.

„Sollte es jedoch keine Arbeit im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht gewesen sein – und nur dann wäre der Einsatz der „Ein-Euro-Jobber“ nicht rechtswidrig – , hat das Amt Züssow die Einwohner, die bei der Entscheidung zur Abholzung nicht beteiligt wurden, schlicht hinters Licht geführt“, sagte Dr. Ulrich Rose, Vorstandsmitglied des Kreisverbandes Vorpommern-Greifswald von Bündnis 90/Die Grünen.

Update

Einer heutigen OZ-Meldung zufolge ist es nicht nur ein sozialpolitischer, sondern auch ein naturschützerischer Skandal, der dort in Lüssow passiert ist: Nicht nur die ungesetzliche Beschäftigung von „Ein-Euro-Jobbern“ ist zu konstatieren; diese haben dann auch gleich gründlich aufgeräumt: Nicht nur 50 m Pappeln, sonder komplett alle 180 Meter Pappelreihe wurde zu Brennholz (bestenfalls!) verarbeitet; zusätzlich sind dann noch die Schutzhecken, norddeutsch: Knicks mit abgeräumt worden. Tabula rasa – kein Schutz mehr vor Flugschnee, kein Schutz für die Tiere des Feldes – und offenbar auch keine menschliche Aufsicht über die Arbeiten!

7 Kommentare bei „Amt Züssow bestätigt rechtswidriges Handeln der Sozialagentur *update*“

  1. und warum soll das ein Rechtsbruch der Sozialagentur sein?

    Die Bewilligung der Ein-Euro-Stellen erfolgte garantiert auf einen Antrag, der den gesetzlichen Bestimmungen entsprach. Den eventuell rechtswidrigen Einsatz hat der ASF Gribow zu verantworten, nicht die Sozialagentur.
    Wie kann man so einen Blödsinn ungeprüft in die Welt raushaun? Damit werden die vielen guten Blogeinträge zu diesem Thema in Mitleidenschaft gezogen. Wer glaubt denn jetzt noch an die Kompetenz von Gregor Kochhan?
    Im Übrigen ist ein gelegentlicher Einsatz der Ein-Euro-Jobber durchaus erlaubt (womit auch der verbogene Gedankengang von Rose unsinnig wäre). Rechtswidrig im Sinne von Kochhan wird er erst, wenn er über eine gewisse Zeit erfolgt. Wenn ich die betreffenden Gerichsturteile richtig verstanden habe. Leider finde ich auf der Schnelle diese nicht.

  2. … und dabei wären die Urteile so interessant. Könntest Du Dir bitte die Zeit nehmen, sie rauszusuchen? Ich meine, weil Du so schön damit argumentierst. Ich wüsste gern, in welchem Rahmen das erlaubt sein soll.

  3. Zu den Urteilen des BSG:
    http://blog.gruene-vorpommern-greifswald.de/2011/08/28/fur-alle-ein-euro-jobs-geschadigten/
    Die Sozialagentur haftet, wie sich aus den Urteilen ergibt. Sie muss die Einhaltung der Kriterien, nachdem sie diese beschrieben haben muss, kontrollieren und steht dafür gerade.

  4. Und was ist mit den Günarbeiten z.B. für die Stadt Flensburg durch einen Träger?

  5. Da dürfte das Gleiche gelten…

  6. @ FH:

    Bundessozialgericht, Urteil vom 13.04.2011
    – B 14 AS 98/10 R –
    BSG: Rechtswidriger Ein-Euro-Job kann Anspruch auf Wertersatz begründen
    Zugeteilte Arbeitsgelegenheit muss Merkmal der Zusätzlichkeit tragen

    Ein Empfänger von Sozialleistungen nach dem SGB II hat dann Anspruch auf Wertersatz durch das Jobcenter für eine geleistete Arbeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung (so genannter Ein-Euro-Job), wenn der wahrgenommenen Arbeitsgelegenheit das Merkmal der Zusätzlichkeit fehlt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts hervor. …
    Das Bundessozialgericht hat das beklagte Jobcenter verurteilt, an den Kläger den Betrag von 149,28 Euro, auf den der Kläger den Revisionsantrag begrenzt hatte, zu zahlen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Bei der Arbeitsgelegenheit, die vom Kläger wahrgenommen worden ist, fehlte das Merkmal der Zusätzlichkeit. …

  7. @lupe: das ist nicht das von „Edward“ angesprochene Urteil; ich vermute auch nicht, dass es ein solches gibt, geschweige denn, dass „Edward“ hier noch mal schreiben wird.

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