„Sie helfen, wenn das Geld nicht mehr reicht“,

so der Nordkurier am 06.10.12 über das Tafelunwesen. Der Artikel ist hier zu finden. Ich habe schon lange nicht mehr derart Unkritisches gelesen, außer vielleicht etwas über Premieren an unserem Theater. Vor geraumer Zeit (am 11.12.09) hatte ich den OZ-Artikel „Jeder gibt, was er kann“ kommentiert. Ich kann ohne Probleme der dortigen Text nach hier kopieren, es passt, einfach „OZ“ durch „Nordkurier“ und „Autor“ durch „Autorin“ ersetzen:

Respekt hat auch etwas mit Menschenwürde zu tun, und die bleibt bei der kritiklosen Betrachtung von Tafeln auf der Strecke. Was hat es mit Würde zu tun, wenn die Armen von den Abfällen der Reichen leben? Da hilft auch der Euphemismus des Geredes vom “Kunden” nichts. Stefan Selke, Soziologie-Professor an der Uni Furtwangen und einer der bekanntesten Kritiker der Tafeln in Deutschand, spricht von einer Verstetigung statt Bekämpfung der Armut in Deutschland durch das Tafelsystem. Selbst der Vorsitzende des “Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V.” meint, dass es doch besser wäre, wenn die Tafeln überflüssig wären.

Völlig ohne solche Betrachtungen kommt der Artikel in der OZ aus. […]

Vielleicht hätte der Autor bei den Märkten, die die Tafel mit ihren nicht zu verkaufenden Waren beliefern, mal nachfragen können, was diese denn an Entsorgungskosten einsparen. Oder vielleicht nur mal ein kritischer Gedanke daran, dass es ein Skandal ist, dass unser Sozialstaat Deutschland überhaupt so etwas wie Tafeln nötig hat.

Tafeln stabilisieren auch das System “Fördern und Fordern”. Sanktionen bzw. Kürzungen des ALG II, die zu einer Unterschreitung des Existenzminimums führen (das vom Gesetzgeber definierte soziokulutrelle Existenzminimum ist die 100 %ige ALG II-Leistung), können, ohne das sich irgendwelche Sachbearbeiter großen Gewissensbissen hingeben müssen, mit dem Hinweis auf die Existenz der Tafeln verhängt werden. Da schert es dann auch nicht, dass viele Sanktionen rechtswidrig sind.

Ich weiß nicht, aber glaube es auch nicht, ob Frau Syrbe beim Besuch des Tafeltages zumindest ansatzweise Kritisches gesagt hat.

9 Kommentare bei „„Sie helfen, wenn das Geld nicht mehr reicht“,“

  1. Im Greifswald-TV sah ich durch Zufall eine Kurzreportage über das Greifswalder „Sozialkaufhaus®“, wie schön und nützlich es doch für die bedürftigen Bürger wäre.

    Es fehlte nur noch das filmisch festgehaltene Leuchten in den Augen der Bedürftigen oder die nah gezoomten Freudentränen!
    Heißa, wie mildtätig wir doch in diesem reichen Land sein können, das gebietet ja schließlich die „Wertegemeinschaft®“.

    Charles Dickens „Weihnachtsgeschichte“ kommt mir da so in den Sinn, die würde wohl heute auch anders geschrieben werden!

    Gut situierte aus Politik und Öffentlichkeit loben ohne Neiddebatte® das Projekt der „Sozialkaufhäuser®“ und „Suppenküchen®“. Man führe nun Gebrauchtes, fast Verbrauchtes den Armen zu, bevor es sonst noch der Müllhalde preisgegeben wird.

    Hallelujah!

    Verdorbenes und Abgelegtes wurde auch im Mittelalter an die arme Bevölkerung verteilt um gottgefällig zu sein und ja nicht im Fegefeuer zu landen. (Dante Alighieri fällt mir dazu ein)

    Ich hoffe, dass das Mittelalter sich nicht wieder einnistet, da jeder Mensch u.a. mit guten Lebensmitteln satt zu bekommen wäre.
    Lasst es keine Selbstverständlichkeit in der sozialen Zukunft unseres Landes und Europas werden!

  2. Sie helfen, wenn das Geld nicht mehr reicht…

    Mir fällt dazu nichts mehr ein, ausser, dass ich auf die „Blühenden Landschaften“ pfeife, sie nie wollte und erwartete.
    Aber dass nun Leute nur mit der Suppenküche über die Runden kommen…oder andere irgendwo ohne ein Dach über dem Kopf Nächte verbringen und auf der Straße leben…, wer hätte das gedacht.

    Nun denn, so ist diese Gesellschaftsform, der Kapitalismus, die Freiheit in Germany, in einem Land, in dem nur noch Jugend zählt ….

    http://www.youtube.com/watch?v=XhX8vlFZlRA

    Streets of London lässt sich auf alle Städte übertragen, schon etwas älter, traurig und hoch aktuell.

  3. http://www.youtube.com/watch?v=orRZUzSKQSs&feature=related

    Leider werden daran auch die Grünlinge nichts ändern.

  4. Die ständig postulierte „Freiheit“ ist nur soviel wert, wie gesellschaftliche und soziale Teilhabe für alle Mitglieder unserer Gemeinschaft gewährleistet ist, sonst ist sie definitiv nichts wert!

  5. Einen Königsberger hab ich da noch, und zwar keinen Klops.

    Immanuel Kant’s Auffassung von Freiheit:

    Rechtliche Freiheit (Willensfreiheit) ist „die Befugnis, keinen äußeren Gesetzen zu gehorchen, als zu denen ich meine Zustimmung habe geben können“ (Autonomie)

  6. Die Tafeln – für die Elite der Nächstenliebe?

    http://www.youtube.com/watch?v=sCarrrVpX80

    und nun die Freiheit

    http://www.youtube.com/watch?v=d1nGfpKg3O4

  7. Ein letzter über Tafeln, Hartz und rot-grün

    http://www.youtube.com/watch?v=zzU-nimpyyI&feature=related

    heute sah ich in der Zeitung ein Foto der EU-Fahne mit einem Hakenkreuz in der Mitte…das nur nebenbei

    http://www.youtube.com/watch?v=P7gNaSi71_U&feature=related

    ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass wir keine Ahnung haben und sich Deutschland mal wieder an anderen Völkern versündigt…, aber das ist hier kein Thema..

  8. Tafeln sind ein Notbehelf, sie bieten Almosen, sie liefern die Krümel vom Überfluß, sie sind Gnadenbrot. Aber sie sind keine geeignete Antwort auf Not und Armut in einer reichen Gesellschaft – sondern Anklage.

    Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung

  9. […] Wieder einmal schafft es der Nordkurier, einen völlig kritiklosen Artikel über das Tafelunwesen zu schreiben. Bei den Zeitungen in der Region scheint dies aber eine gewisse Tradition zu haben. Dass aber auch Landrätin Syrbe (Die Linke!) kein Wort der Kritik verliert, finde ich beschämend. […]

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